Das Werk Ursula Ullrich-Jacobis

Konsequentes Streben nach Klarheit und Einfachheit

„Alles von vorneherein künstlerisch beschlossen“

Schon 1953, anlässlich der ersten Ausstellung der 27-jährigen Bildhauerin Ursula Ullrich-Jacobi, hat Anton Bruder, der Mentor vieler Aschaffenburger Künstler, ihren Stil und ihre Kunst treffend charakterisiert. Bei ihr sei „alles von vorneherein beschlossen“. Künstlerisch beschlossen. Denn Tiere und Kinder gehörten zu ihren bevorzugten Darstellungsobjekten. Und sie blieben es auch. Auch Bruders Beschreibung ihrer Plastiken erfasst den Kern ihrer Kunst: „Immer bleibt sie ernst und im kleinsten Format monumental.“ Tatsächlich liebt(e) Ursula Ullrich-Jacobi die kleine Form. Ihre Bronze- oder Messinggüsse lassen sich in die Hand nehmen. So bereiten ihre Arbeiten neben dem sinnlichen auch einen haptischen Genuss. Monumental nannte er ihre Plastiken, weil sie alles Unwesentliche beiseite lässt, sich auf die reine Form konzentriert und diese modelliert. Bei dieser Reduzierung bleibt die Bewegung des Tieres erhalten. Das verleiht selbst den kleinen Skulpturen ihre Monumentalität, wie es die frühere Leiterin der städtischen Galerie Jusuitenkirche, Dr. Brigitte Schad, einst beschrieb.

„Sie geht ihren Weg stetig und konsequent.“

Und Bruder sollte auch mit einem weiteren Satz recht behalten: „Sie geht ihren Weg stetig und konsequent.“ Tatsächlich zeichnet ihr Werk das konsequente Streben nach Klarheit und Einfachheit aus. In ihrer mehr als 70jähriger Künstlerschaft ging sie kompromisslos ihren Weg, Mode-Trends interessierten sie nicht. Ausdruck und Form waren ihr das Wichtigste. Ihr ging es nie um eine originalgetreue Wiedergabe eines Objekts, also um ein „Abbild“ eines Kindes oder eines Tieres, sondern darum, „das Wesentliche herauszuholen“. Und das bedeutete eben nicht, jedes einzelne Haar oder jede Hautfalte darzustellen. Ihre Kinderporträts entstanden nicht anhand eines Fotos. Vielmehr beschäftigte sie sich mit dem Kind, beobachtete es, wie es sich bewegte, wie es spielte. Was ihr nach stundenlanger Beobachtung in Erinnerung blieb, das war für sie das Wesentliche, das es dann galt, grafisch oder plastisch darzustellen. Die selbstgewählte Beschränkung und das Weglassen überflüssiger Details macht die hohe Qualität ihrer Arbeiten aus. Das gilt auch für die virtuosen Tuschzeichnungen, Skizzen und Aquarelle. Sie selbst sagte, ihre Kunst sei nicht abstrakt, sondern abstrahierend.

Ursula Ullrich-Jacobi, Katze, Bronze
Ursula Ullrich-Jacobi, Kinderportrait, Ton
Ursula Ullrich-Jacobi, Löwe, Bronze
Ursula Ullrich-Jacobi, Katze, 1952, Aquarell

Ausgewählte Arbeitsbeispiele

Das Kriegerdenkmal in Rothenbuch (1954/55, gemeinsam mit ihrem Mann Gunter Ullrich)

1954 hatte Ursula Ullrich-Jacobi von der Gemeinde Rothenbuch den Auftrag zur Ausführung eines Kriegerehrenmals erhalten. Es war der erste große Auftrag der jungen Bildhauerin, die kurz zuvor mit ihrem Mann von München nach Aschaffenburg gezogen war. Dem Künstlerpaar ging es bei dem Projekt nicht um die übliche Heldenverehrung oder gar Glorifizierung des Soldatentods. Vielmehr wollten sie an die furchtbaren Schrecken des Krieges erinnern. Ursula Ullrich-Jacobi hatte Verluste selbst erlebt: Ihr älterer Bruder war 1944 im letzten Kriegsjahr gefallen. Das Künstler-Paar verzichtete bei der Gestaltung des Mahnmals konsequent auf Symbole wie Waffen, Helme oder eiserne Kreuze. Die Seitenflächen der viereckigen Säule aus Sandstein, die von einem Kapitel gekrönt wird, zeigen im Relief die Gestalten einer klagenden Frau, eines stürzenden und eines gefallenen Kriegers, eine betende Frau und ein stürzendes Pferd. Im Zentrum der hohen Bildsäule steht als Symbol der Hoffnung und als Botschafter des Friedens ein Engel, der über den dargestellten Grausamkeiten des Kriegs schwebt. 

Als neuartig galt das Ehrenmal damals nicht nur, weil es eher ein Antikriegsdenkmal ist, sondern auch weil die beiden Künstler es im Sinne von Picassos Kubismus realisierten. „Wir wollten nichts Regelmäßiges, alles sollte schräg sein“, erklärten die Künstler später ihre damalige Idee. Die Säule selbst lehnte sich formal an die klare und zugleich expressive Formensprache der romanischen Bestiensäule in der Domkrypta zu Freising in Obb an.

Eine Besonderheit war auch die Ausführung der Steintafeln mit den Namen der gefallenen Soldaten. Die Ullrichs konnten ihre Idee der Negativschrift durchsetzen, eine besonders bei Kriegerdenkmalen unübliche Methode. Es gab also keine aufgesetzte Schrift, sondern die Fläche neben den Buchstaben musste herausgearbeitet werden. Ausgeführt wurden diese Arbeiten von Ursula Ullrich-Jacobi damals im Hof des Aschaffenburger Schlosses Johannisburg, wo die Steinmetz-Meisterschule damals untergebracht war. 

Die Bronzetüren des Aschaffenburger Rathauses mit Türgriffen (1957 bis 1959)

Fast jeder Aschaffenburger dürfte ein Werk von Ursula Ullrich-Jacobi schon einmal in den Händen gehalten haben. Von ihr stammen die bronzenen Türgriffe am Portal des Aschaffenburger Rathauses. Der Rathaus-Architekt Diez Brandi hatte sich die bronzenen Griffe für die Türen in Tierform von ihr gewünscht. Sie schuf für die Eingangstüren Löwen und Adler als Symbole für Bayern und Deutschland, für den Türgriff am Eingang zum Ratskeller ein Fischpaar, für den Eingang am Trausaal schnäbelnde Vögel und für den Eingang zur Stadthauptkasse den Dukaten scheißenden Goldesel. 

Die Schwierigkeit dieser Türgriffe in Tierform bestand darin, „Griffigkeit“ zu erreichen, ohne ins Dekorative abzugleiten. Wie auch bei ihren Plastiken zeichnet auch die von Ursula Ullrich-Jacobi geschaffenen Türgriffe eine künstlerische Reduzierung aus. 

Erst während der Arbeiten für die Türgriffe entstand damals die Idee für eine bronzene Eingangstüre zum Rathaus. Das Ehepaar, das erst seit wenigen Jahren in Aschaffenburg lebte, befasste sich intensiv mit der Geschichte seiner neuen Wahlheimat. Es entstand ein zeitloses Kunstwerk, das auf Flachreliefs  Aschaffenburgs Stadtgeschichte erzählt, vom Schloss und dessen Zerstörung 1945, von der Stiftskirche und dem Rathausbau.

Die bildhauerische Erfahrung von Ursula Ullrich-Jacobi zeigte sich auch bei der Ausarbeitung der Details des Portals. Auch hierbei achtete sie auf die nötige „Strenge“. Die Herstellung der Modelle war kompliziert. Denn die Ullrichs fertigen sie in ihrer kleinen Zweizimmerwohnung an der Erthalstraße. Acht Zentner Gips verbrauchten sie.

Ursula Ullrich-Jacobi, Gunter Ullrich, Detail vom Rathausportal Aschaffenburg, 1958

Die „Sinnende“

Die „Sinnende“ ist eine anmutige Skulptur, die seit 2003 im Brunnen der St. Germain-Terrasse am Pompejanum ihren Gedanken nachhängt. Ursula Ullrich-Jacobi hat die Bronzeplastik der Stadt geschenkt. Die unprätentiös und doch grazil wirkende Figur besticht durch die in sich ruhende Geschlossenheit, die so ganz ohne Pose in sich selbst ruht. Die Figur bildet ein doppeltes Dreieck von angewinkeltem Bein und dem darauf aufgestützten Arm sowie ein Rechteck mit dem zur Mitte des Körpers geschobenen anderen Beins. Die frühere Leiterin der städtischen Galerie Jesuitenkirche, Dr. Brigitte Schad, sieht in der Firgur die „Sinnende“ fast ein Spiegelbild ihrer Schöpferin, die ebenfalls stets zurückgenommen und bescheiden erscheine. Die aber nie den Bezug zur Außenwelt verliere, die sie durchaus in großer Klarheit und Weitsicht wahrnehme.

 

Ursula Ullrich-Jacobi, Die Sinnende, 2003

Bronzerelief für das neue Postgebäude der Stadt Hersfeld (1971)

Das 1,50 Meter große Bronzerelief stellt eine Szene aus der Stadtgeschichte Bad Hersfelds dar, den sogenannten Hersfelder Mückensturm. Ein dichter, aus dem Kirchturm der mittelalterlichen Stadt fliegender Mückenschwarm soll die Stadtbewohner einst in Angst und Schrecken versetzt haben, weil sie einen Kirchenbrand vermuteten. Das in zweijähriger Arbeit entstandene Werk von Ursula Ullrich-Jacobi illustriert nicht nur die Legende, sondern spiegelt auch die Dramatik des Geschehens wider: die schreiende Menschenmenge und der darüber als Negativstempel eingedrückte Mückenschwarm verschmelzen zu einer harmonischen Einheit.

Kunstwerke im öffentlichen Raum

Aschaffenburg: Brunnen der St. Germain-Terrasse neben dem Pompejanum, Bronzeplastik die „Sinnende“ (2003) 

Aschaffenburg: Rathaus-Portal: Bronzetüren und Türgriffe (1957 bis 1959) 

Rothenbuch: Kriegerdenkmal (1954/1955, gemeinsam mit ihrem Mann)

Unterthal bei Hammelburg: Kreuzweg (1953)

Herfurt: Bronzeplastik für das neue Postgebäude der Stadt Hersfeld (1971)

Schweinfurt: Fichtel & Sachs, Bronzeplastik

Frankfurt: Deutsche Bank, Türgriffe (1961)

Aschaffenburg: Bäckerei Hench/Sandgasse, Brezeln aus Bronze als Türgriffe (1974)

Kleinwallstadt: Markt-Apotheke, Türgriffe (1966)